Die steigenden Energiekosten kombiniert mit einer flauen Wirtschaftslage führten laut Fachleuten in den ersten sechs Monaten in Deutschland zu einem merklich reduzierten Energieverbrauch. Gemäß den Daten der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen (Ageb) sank der sogenannte Primärenergieverbrauch basierend auf vorläufigen Daten im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Vorjahres um 7,1 Prozent auf 5561 Petajoule. Diese Energiemenge ist vergleichbar mit fast dem 2,5-fachen Energieverbrauch des gesamten deutschen Straßenverkehrs 2019 oder dem Sechsfachen der Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Quellen im Jahr 2022.
Die Ageb beschrieb dies als einen erheblichen Rückgang. Obgleich die Kosten im ersten Halbjahr 2022 merklich gesunken waren, waren sie immer noch spürbar höher als im Jahr 2021. „Die Energiekosten setzen also weiterhin Anreize zum Energiesparen, wenn auch in etwas verminderter Stärke.“ Hinzu kam ein spürbarer Rückgang in der Produktion von energieintensiven Sektoren wie Chemie, Metall, Papier und Glas.
Das Klima hatte nach Ageb im ersten Halbjahr nur geringe verbrauchserhöhende Auswirkungen, obwohl die ersten drei Monate des Jahres wärmer waren als im vorherigen Jahr. „Würde man den geringfügig verbrauchserhöhenden Einfluss des Wetters herausrechnen, wäre der Energieverbrauch im ersten Halbjahr um 7,6 Prozent gesunken“, wurde erwähnt. Auch der Bevölkerungszuwachs durch Flüchtlingsströme trug zu einem Anstieg des Energieverbrauchs bei. Die beiden genannten Einflüsse waren jedoch weit weniger ausgeprägt als die verbrauchsmindernden. Der reduzierte Energieverbrauch wirkte sich auch positiv auf die Klimastatistik aus: Die energiebedingten CO2-Emissionen verringerten sich laut vorläufigen Zahlen um mehr als acht Prozent auf etwa 317 Millionen Tonnen. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2022 veröffentlichte das Umweltbundesamt, dass in Deutschland rund 666 Millionen Tonnen Kohlendioxid emittiert wurden.
Lediglich regenerative Energiequellen wiesen einen Anstieg im Verbrauch auf.
Gemäß den Auswertungen stieg der Energieverbrauch je nach Energiequelle lediglich bei den regenerativen Energien – und zwar um 0,6 Prozent. Der Bedarf an Öl sank um 2 Prozent. Der Verbrauch von Erdgas reduzierte sich um 10,1 Prozent. „Dieser Abfall resultiert zum einen aus dem reduzierten Einsatz von Erdgas in der Industrie. Zum anderen lag der Bedarf der Privatkunden und des Kleinhandels etwa 10 Prozent unter dem durchschnittlichen Niveau”, so die Fachleute.
Der Steinkohleverbrauch verringerte sich um 10,8 Prozent. Der Gebrauch in Energiezentralen erlebte sogar einen Abfall von beinahe 19 Prozent. Schwankungen in den Brennstoffpreisen sowie der abnehmende Strombedarf führten zur Verminderung des Steinkohleeinsatzes in den Zentralen. Der Bedarf an Braunkohle reduzierte sich um ungefähr 18 Prozent. Dies wird von der Ageb ebenfalls auf den gesunkenen Strombedarf im Land und „vorteilhafte Produktionsbedingungen im angrenzenden Ausland“ zurückgeführt. Die Stromproduktion aus Kernenergie sank aufgrund des eingeschränkten Betriebs und der darauffolgenden Abschaltung der letzten drei deutschen Anlagen um 57 Prozent. Im Energiespektrum überwiegen nach wie vor fossile Energiequellen. Hierbei haben Mineralölprodukte einen Anteil von 33,7 Prozent. Es folgen Erdgas (26,1 Prozent), Steinkohle (9 Prozent) und Braunkohle (8,4 Prozent). Regenerative Energiequellen halten einen Anteil von 19,8 Prozent. Kernenergie stellt 1,4 Prozent dar. Auf andere Energiequellen wie Müll bezogen sich 1,5 Prozent.
Zusammengefasst wurden im ersten Halbjahr 3,1 Milliarden Kilowattstunden Elektrizität ins Ausland exportiert (1. Halbjahr 2022: 17,4 Milliarden). Die Ageb machte darauf aufmerksam, dass Deutschland sich im zweiten Quartal zu einem Nettoimporteur mit einem Überschuss von 6,4 Milliarden Kilowattstunden gewandelt hat. “Deutschland konnte gelegentlich von kostengünstigeren Produktionsmöglichkeiten im angrenzenden Ausland Vorteile ziehen. Dazu trugen Wetterverhältnisse bei, die stellenweise zu einer gesteigerten Stromproduktion aus Wasserkraft in den Alpen und in Skandinavien führten.” Zudem geht der Ausbau von grünen Energien in den europäischen Nachbarländern weiter und steigert das Angebot. Die Ageb bezeichnete den gestiegenen Importüberschuss Deutschlands als “Indikator für einen effizienten europäischen Elektrizitätsmarkt”. Zur Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen gehören drei Energieverbände und fünf Institute, die in der Energieforschung tätig sind.